Erich
Kästner hat es getan, Ernest Hemingway auch und Joanne K. Rowling
sowieso. Die Geschichte, dass sie im Café schrieb, weil es in ihrer
Wohnung zu kalt war – einen Stift in der einen Hand, die andere
schaukelnd am Kinderwagen – ist legendär. Vielleicht war es aber
auch nur der Nachschub an Kaffee, der immer direkt an den Tisch kam,
der sie zum Schreiben dort bewog.
Mir
war das bisher fremd. Was soll ich da? Um mich schwatzende Leute,
kreischende Kinder, und der Kaffee ist auch teurer als aus meiner
Senseo. Außerdem vermeide ich Milchprodukte, und Kaffee Schwarz mag
ich nicht. Und überhaupt, starren einen nicht alle komisch an, wenn
man seinen Laptop aus der Tasche kramt und mit dem Tippen loslegt?
Man
merkt, ich bin nicht oft in Cafés. Ein spontaner Besuch mit meiner
Schwester bei Starbucks, um die einkaufsmüden Füße auszuruhen,
belehrte mich eines besseren. Es gibt Sojamilch, es gibt WiFi, es
gibt Steckdosen, es gibt bequeme Sessel in kräftigem Violett und
undefinierbarem Braun, und es gibt jede Menge andere Leute mit
Laptops. Schlimmstes Szenario könnte also nur sein: Ich kann nicht
schreiben, bin genervt und habe ein-zwei Stunden sowie ein paar Euro
verschwendet. Alles keine Katastrophe.
Heute
habe ich mich also aufgemacht, um in die Fußstapfen all der
berühmten Menschen zu treten, die in Cafés geschrieben haben. Ich
habe mir Christopher Pike, meinen treuen Eee PC, geschnappt und bin
bei strahlendem Sonnenschein losgeradelt.
Als
erstes wird die Droge fast jeden Schreiberlings besorgt – Kaffee.
Auch wenn böse Zungen meinen, dass man die süße, flüssige
Köstlichkeit in den großen Tassen nicht mehr Kaffee nennen dürfe.
Außerdem gibt es zur Feier des Tages einen Muffin. Yummy. Damit
ausgerüstet suche ich mir ein nettes Plätzchen. Mein vorher
ausgespähter Platz in einem violetten dicken Plüschsessel
ist bereits vergeben. Frechheit! Da will man die nächste Rowling werden,
und dann das. Aber man ist ja flexibel, die Alternative hat keine
Armlehnen, ist aber ebenfalls bequem.
Mein
erste Amtshandlung – Internetverbindung. Ha, sehr, sehr wichtig!
Man könnte ja etwas nachschlagen müssen! Dringend! Oder mal eben einen Blog aufrufen oder Tumblr aktualisieren oder im Forum
nachschauen, ob irgendjemand irgendetwas unglaublich Wichtiges
gepostet hat oder schauen, ob der Wetterbericht sagt, dass das Wetter
so schön ist, wie man es durch die Fenster sehen kann, oder...
Oder
mal eben schreiben, denn dafür bin ich ja da. Auch in der Hoffnung,
dass ich mich weniger vom Internet verführen lasse. Weg mit dem
Browserfenster. Kusch, kusch!
Stimmengewirr
umweht mich. Es riecht nach meinem leckeren Mocca. Hinter mir
bespricht ein Pärchen in Englisch, was sie noch in Nürnberg
anschauen wollen oder müssen. Rechts von mir diskutiert ein anderes
Pärchen irgendwelche 'Verfehlungen' von ihm oder ihr oder beiden
aus. Noch weiter hinter mir klackert leise eine Laptoptastatur.
Klingeltöne diverser Handys wehen durch die Luft, Geschirr klirrt.
Ich
starre mein Dokument an. Das kann ja heiter werden. Wie soll man sich
hier konzentrieren?
Browserfenster
wieder auf. Hat jemand im Forum geschrieben? Ist was auf Tumblr
gepostet worden? Mist, ich habe vor kurzem meine Liste der Blogs, die
ich verfolge, radikal gekürzt, um nicht so oft abgelenkt zu werden.
Also: nein. Alles beim Alten. Browserfenster zu.
Und
das links von dem Herrn mit hellblauem Hemd wäre mein Wunschplatz
gewesen. Man kann nicht alles haben.
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Finger
auf die Tastatur. Ich tippe zaghaft einen Satz und lösche ihn
wieder. Hinter mir diskutiert das Pärchen noch immer.
Ein
weiterer Satz. Den lasse ich stehen, auch wenn er alles andere als
perfekt ist.
Einer
der Mitarbeiter holt neue Becher aus einem Lagerraum und lässt die
Hälfte fallen. Zum Glück sind sie aus Pappe. Zum Glück noch
verpackt.
Ich
versuche, die Stimmen auszublenden. Was machen meine beiden
Hauptcharaktere eigentlich gerade? Ah, ich habe sie in die
Kanalisation geschickt. Mit den Verfolgern auf den Fersen. Draußen
scheint die Sonne. Es riecht nach Kaffee. Bei meinen Lieben ist es
feucht-kalt und es stinkt.
Der
Atem bildet kleine Wölkchen. Ratten huschen gerade außerhalb des
Lichtscheins einer Taschenlampe davon. Schritte hallen von den
feuchten Wänden wieder. Wasser tröpfelt.
Ich
schreibe weiter.
Mein
Kaffeebecher wird leerer. Gut, dass bereits Starbucks' kleinste
Tassen riesig sind.
Das
Pärchen rechts von mir ist mittlerweile verschwunden. Die beiden,
die Englisch sprachen, ebenfalls. Die Tastatur hinter mir klackert
noch immer.
Schließlich
kann ich nicht mehr sitzen. Daheim sitze ich selten so lang am Stück
am PC. Hole mir zwischendurch mal einen Kaffee. Geh mal ins Bad.
Mache irgendwas.
Die
Kaffeetasse ist leer, die Blase drückt. Perfekt wäre jetzt jemand,
der mit einem da wäre. Der auf die Sachen aufpassen kann, während
ich mal eben nach 'hinten unten' verschwinden. Während ich mir einen
zweiten Kaffee hole. Ist aber nicht. Schade. Also müsste ich alles
wegpacken und mitnehmen. Ich beschließe, den Cafébesuch zu beenden.
Kritisch
begutachte ich meinen Text. Zwei Stunden bin ich hier. Viel kann es
nicht sein, was ich geschrieben habe. Ich lasse den Wortzähler
drüberlaufen. Und starre überrascht auf die Zahl. 2494! Wow. Damit
habe ich nicht gerechnet. Für mich ist das verdammt viel für zwei
Stunden.
Die
Sonne scheint. Ich war produktiv. Ich grinse bis über beide Ohren,
als ich das Café verlasse. Die Fußstapfen zu verfolgen hat sich
gelohnt. Morgen bin ich wieder hier.
Kästner, Hemingway und Rowling wissen schon, was gut ist.
Kästner, Hemingway und Rowling wissen schon, was gut ist.